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Frühlingsblume am Merzdorfer Bach

Prosa

(Gedichte)

von Gerti Neuderth

April 1992

 

Kapelle am Berg

 

Sommer ziehet übers Land,

öffnet weit den Blick.

Alles, was uns einst verband,

liegt so weit zurück.

 

Geht mit mir auf diesen Wegen!

Sonntag ists, genau wie heut.

Auf den Feldern ruhet Segen.

Glocken klingen zum Geleit.

 

Der Koslauer Bach, ich seh ihn genau.

Ein Fußsteig führt durch die Senke.

Er führt zum Bahnhof von Olleschau. -

Weiter die Schritte ich lenke:

 

Ein Stück die Saarer Straße noch,

dann links übern Aubach ich gehe.

Durch Felder und Wiesen steige ich hoch

zum Wald dort auf der Höhe.

 

Betrachtet die Wiesen am Waldesrand,

betrachtet das vielerlei Grün!

Seht, welch herrlicher Blick ins Land,

seht wie die Blumen blühn!

 

Betrachtet die Felder, rot vom Klee,

voll Obst, Gemüse, Getreide,

saftige Beeren, wohin ich seh,

Kühe auf der Weide.

 

Alles konnte hier gedeihen,

jeder Strauch und jede Frucht,

konnte Fülle dem verleihen,

der die Schönheit sucht.

 

Laßt einmal noch zurück uns sehn

von dieser schönen Stelle,

dann durch den Wald nach oben gehn

zur Dürmauler Kapelle.

 

Beim Kirchlein auf der Höhe

bleib ich sinnend stehn.

Ich spüre Gottes Nähe.

Ich kann nicht satt mich sehn.

 

Der Kuckuck aus dem Walde ruft,

wie oft, weiß ich nicht mehr.

Ich atme tief die reine Luft

und schaue rings umher.

 

Herrlich liegen ausgebreitet

Felder, Wälder, Täler, Höhn!

Wie mein Blick darübergleitet!

Heimatland, wie bist du schön!

 

Duppau dort im Kessel liegt.

Liebe alte Stadt,

die Schloß und Kirche und Konvikt

und einen schönen Marktplatz hat !

 

Verstreut sieht man die Dörfer liegen,

umrahmt von sattem Grün.

Wipfel sich im Winde wiegen,

ergriffen ist mein Sinn.

 

"Welche Dörfer?" wollt Ihr fragen.

Ich kann Euch viele nennen,

die rund um die Kapelle lagen,

heut wohl nicht mehr zu erkennen.

 

Dürmaul, Turtsch und Zettlitz doch,

Rednitz, Meckl, Gässing, schau!

Hinter Duppau Promuth noch

Grünles, Jurau, Olleschau.

 

Koslau, nur zum Teil zu sehn,

Hermersdorf und Tiefenbach,

Saar mit der Kirche liegt so schön.

Sebeltitz und Wobern, ach!

 

Die Berge, wer kann sie noch alle nennen?

Hufberg, Eisenberg, Platten,

Burgstadl, Ödschloß, gut zu erkennen.

Welch herrliche Berge wir hatten!

 

Der Butterhübel, seht nur hin!

Der Hußen und der Schwammberg, schaut!

Was kommt Euch sonst noch in den Sinn?

Der Legerberg mit Kudlichbaud`!

 

Eichbusch, Winteritzer Berg,

der Liesener, wie Ihr wißt. -

Ich bring zu Ende dieses Werk,

das nicht zu Ende ist.

 

So vieles könnte man beschreiben,

was unser Heimatland uns bot.

Stets wird uns in Erinnrung bleiben

der Vertreibung Leid und Not.

 

So mancher Sommer zog ins Land.

Wir fanden neues Glück.

Alles, was uns einst verband,

liegt so weit zurück.

 

Wir gehen stets auf neuen Wegen.

Neues Leben sieht man heut.

Mit uns war immer Gottes Segen.

Sein Wille sei uns stets Geleit !

 

Gewidmet meinem Mann zum 60. Geburtstag    

                                                   Gerti Neuderth

 

 

H e i m k e h r

 

Da liegst du, Land, und rührst mich an

und weckst zutiefst Gefühle.

Was ich hier fand und sehen kann,

war einst geliebte Fülle.

 

O Land der Väter, unsrer Liebe Band,

verlassen vor fast 46 Jahren!

Wie ich dich heute wiederfand,

ließ mich erschütternd dich erfahren.

 

Dieser Tag in unserm Leben -

 unbeschreiblich welche Not -

will mächtig heute mich umgeben.

Erbarm dich unser, großer Gott!

 

Erbarm dich derer, die noch leben,

die solche Nöte durchgemacht,

die jetzt ihr Antlitz neu erheben,

da die Erinnerung erwacht.

 

Es war August  - der Weizen schwer -

das Vieh, gekettet fest im Stall,

ein Abschied ohne Wiederkehr,

ein Blick zurück nach Hof und Tal.

 

Ein Abschied von der Dorfgemeinde,

von Menschen, denen wir verbunden,

Wo Tränen man im Weggang weinte,

 

da klafften tiefe, tiefe Wunden...

 

O Heimatland, von Blut getränkt,

dem Damals gilt mein Blick.

Du hast mich einst so reich beschenkt.

Heut kehre ich zu dir zurück.

 

Noch weht die alte, starke Linde,

tausendjährig ist ihr Sein.

Was ich sehe, was ich finde,

dringt mir tief ins Herz hinein.

 

Wege, Straßen sind verschwunden,

wild verwachsen Baum und Strauch.

Panzerspuren rissen Wunden,

und mein Herz, es blutet auch.

 

Ein Schild im tiefen Dickicht dort,

in fremder Sprache, kaum zu lesen,

besagt, daß hier mein Heimatort

ist vor langer Zeit gewesen.

Irgendwo am Wiesenraine

ragt verzagt ein Mäuerlein

oder nur ein Häuflein Steine.

 

Heimaterde, Heimatland,

liebes Elternhaus!

Alles, was uns einst verband,

sieht so anders aus.

 

Und ich suche und ich finde

Spuren aus der Kinderzeit.

Was doch im Herzen so gelinde

holde Seligkeit verleiht!

 

Alte Steine einer Treppe,

Pfosten von dem Gartenrand!

Und ich steige und ich schleppe,

was ich im Gelände fand.

 

Da lugt aus dem Gestrüpp hervor

von dem Brunnen überm Haus

das alte Wasserleitungsrohr,

und es rinnt noch Wasser aus!

 

Und ich blicke weit umher:

Koslau, lieber Heimatort!

Nein, es raucht kein Schornstein mehr.

Sinnend, geh ich von hier fort!

 

Singend Vöglein mich begleiten,

Schmetterlinge schweben.

Wie in vergangnen alten Zeiten

heute wieder Tiere leben!    

Noch einmal, Land, rührst du mich an

und weckst zutiefst Gefühle.

Was hier ich fand und sehen kann,

war einst geliebte Fülle...